Comedy Punch

#Meinung

Hand auf’s Herz:
Mittlerweile gibt es wirklich viele richtig gute deutsche Comedyserien im deutschen Fernsehen, nicht zuletzt bei den Streamingdiensten.

jerks., How to sell Drugs online (fast), Hindafing und natürlich… Dark. 😉
Ich persönlich mochte ja zum Beispiel auch die Schnelligkeit, Originalität und Lust an der Absurdität von Start the fck up wirklich gerne.

Und trotzdem komme ich – wahrscheinlich nicht ganz alleine – immer wieder zu dieser einen Frage:
Woran liegt es, dass internationale Formate im Bereich Comedyserie, natürlich ganz besonders amerikanische und britische Formate, mir deutlich mehr laute Lacher abringen?

Irgendwie gibt es da häufig doch noch diesen nicht wegzudiskutierenden Unterschied, oder?

Naheliegende Gründe?
Klar, kein Problem:
Die bessere personelle und finanzielle Ausstattung solcher Produktionen z.B. in Amerika liegt auf der Hand.
Dazu kommt, dass die Autor:innen auf einem derart großen Markt zuvor häufig durch eine harte Schule zahlreicher Comedyproduktionen gegangen sind.
Diese kritische Masse an „Lernmöglichkeiten“ fehlt hier zur Zeit oft noch, so zum Beispiel beim Genre Sitcom.

Trotzdem sind wir auf in Deutschland auf einem guten Weg, gerade beim Drehbuchschreiben:
Writers‘ Rooms sind mittlerweile eben keine exotische Vorstellung mehr und die Sender öffnen sich (dank der Streamer?) endlich auch solchen Humorfarben, von denen sie uns Schreibenden bei ausländischen Produktionen jahrelang so vorschwärmten, ohne es sich selbst im Gegenzug zu trauen.

An einer Stelle allerdings, so meine Überzeugung, herrscht bei uns noch falsche Zurückhaltung:
Beim finalen Comedy Punch.
(Oder „PunchUp“. Oder wie immer derjenige es nennen möchte, der es bezahlt…)

Einfach gesagt:
Die Verzierung des finalen Drehbuchs mit noch mehr Gags, noch stärkeren Pointen und dem Kniff, der eine gute Szene noch witziger macht.

Richtig gelesen: Die finalen Drehbücher punchen!

Denn im Gegensatz zu Scriptdoktoren, die im Zweifelsfall an der Dramaturgie, den Szenen und den Figuren schrauben, ist die Aufgabe des Punchers eindeutig und klar:
Das bestehende, von fähigen Kolleg:innen intensiv entwickelte und in mehreren Fassungen verfeinerte Buch genauso beizubehalten… nur halt mit mehr und stärkeren Gags!

Und auch, wenn dieser Post hier gerne als schamlose Eigenwerbung verstanden werden darf:
Zunächst einmal ist völlig egal, ob ein gesamtes Team selbst, ein oder mehrere besonders gag-starke Teammitglieder oder eben ein externer Puncher am Ende noch einmal intensiv über die finalen Drehbücher geht.
Das Ziel muss sein: Kein passender, auf das Gesamtprodukt einzahlender Gag sollte liegengelassen werden.

In Deutschland trifft das gerne noch auf Vorbehalte:
Denn wozu braucht ein „fertiges“ Buch einen „Comedy Puncher“, wenn vorher mehrere Top-Comedyautor:innen wochen- und monatelang an ihren Drehbüchern gearbeitet und gefeilt haben?

Eine Frage, die amerikanische Autor:innen häufig verwundert:
Zum einen hat fast jeder Autor seine Stärken (und eben auch Schwächen).
Zum anderen ist nichts schwieriger, als sich über mehrere Drehbuchfassungen (und die dazugehörigen Diskussionen) das offene Auge für zusätzliches Gagpotenzial zu bewahren.

Deshalb glaube ich auch, dass externe Puncher (wie eben in machen Projekten auch ich) einen Vorteil haben:
Für sie ist die finale Fassung ein völlig neues Projekt.
Sie verstehen (hoffentlich!) die Charaktere und den Humor der Serie und erkennen dann verschenktes oder in zahlreichen Drehbuchfassungen abgeschliffenes Comedypotenzial.

Da werden dann bestenfalls aus zwei reinen Setup-Dialogzeilen zwei aufbauende Pointen auf dem Weg zur großen.
Oder eine gute Pointe erhält durch einen der anderen Charaktere noch eine Pointe oben drauf.
Oder ein nüchternes Szenenende bekommt durch einen einzigen knackigen Kommentar oder durch Gestik und Mimik den überraschenden Abschlusslacher.

Ich persönlich möchte also allen Showrunner:innen, Head-Autor:innen, Producer:innen und Produzent:innen ans Herz legen, diese finale Punch-Runde bei Comedyserien fest und verbindlich einzuplanen.
Personell, finanziell und zeitlich.
Das Geld ist für gewöhnlich gut angelegt, wenn es von vornherein vorgesehen ist.

(Zusatztipp:
Kurz vor Drehbeginn bei gerade zufällig verfügbaren Autor:innen anrufen, um das Script noch „irgendwie lustiger“ zu machen, kostet für gewöhnlich deutlich mehr Geld bei weniger Ertrag!
Ich darf das sagen, denn ich habe schon von solchen Anrufen profitiert… ;))